Tee bei Hitze - Warum warmer Tee gut ist

Die Thermometer klettern unerbittlich nach oben. Schweißperlen sammeln sich auf der Stirn. Der erste Impuls? Ein eiskaltes Getränk muss her! Doch während Millionen Menschen weltweit zu gekühlten Limonaden und Eistees greifen, praktizieren die Bewohner heißer Wüstenregionen seit Jahrhunderten etwas scheinbar Paradoxes: Sie trinken warmen Tee.

Ist das pure Tradition oder steckt wissenschaftliche Weisheit dahinter? Die Antwort überrascht und revolutioniert das Verständnis für natürliche Kühlung.

Das Geheimnis der Beduinen: Warmer Tee in der Sahara

In den endlosen Weiten der Sahara, wo Temperaturen regelmäßig die 50-Grad-Marke knacken, zelebrieren Nomadenvölker ihre Teezeremonie. Drei Gläser süßer Minztee gehören zum Alltag – dampfend heiß serviert unter der glühenden Sonne.

Diese Tradition wurzelt nicht in Unwissen, sondern in jahrtausendelanger Erfahrung. Die Wüstenbewohner haben längst entdeckt, was moderne Wissenschaftler erst kürzlich bestätigt haben: Warme Getränke kühlen den Körper effektiver als kalte.

Auch in der Wüste wird auf den Tee nicht verzichtet
Auch in der Wüste wird auf den Tee nicht verzichtet

Thermoregulation: Wie der Körper seine Temperatur steuert

Der menschliche Organismus funktioniert wie ein präzises Klimasystem. Bei Hitze aktiviert er verschiedene Kühlmechanismen:

Schwitzen steht an vorderster Front. Die Haut produziert Feuchtigkeit, die beim Verdunsten Wärme entzieht – ein natürlicher Kühlkreislauf.

Gefäßerweiterung bringt warmes Blut näher an die Hautoberfläche, wo es Hitze an die Umgebung abgeben kann.

Atmung reguliert ebenfalls die Körpertemperatur. Warme Luft wird ausgeatmet, kühlere eingeatmet.

Diese Mechanismen arbeiten automatisch – vorausgesetzt, man unterstützt sie richtig. Primärer Kühlweg ist aber bei Hitze die Schweißverdunstung. Die Gefäßerweiterung und Atmung spielen eher eine Nebenrolle.1

Der Kälteschock: Warum Eistees kontraproduktiv wirken kann

Eiskalte Getränke, wie Eistees, lösen eine Kettenreaktion aus, die dem Kühlungsziel zuwiderläuft:

Der Körper interpretiert die plötzliche Kälte als Bedrohung. Reflexartig verengen sich die Blutgefäße, um Wärmeverlust zu verhindern. Die Folge? Die natürliche Wärmeabgabe wird gedrosselt.

Zusätzlich aktiviert der Organismus seine "Heizung": Die Körperkerntemperatur steigt, um das vermeintliche Kältedefizit auszugleichen. Was als Erfrischung gedacht war, wird zum Bumerang.

Eisgetränke verschaffen zwar momentane Linderung im Mund- und Rachenraum können aber jedoch die langfristige Temperaturregulation sabotieren.

Warmer Tee: Der Schlüssel zur natürlichen Kühlung

Warme Getränke folgen einem völlig anderen Prinzip. Sie unterstützen die körpereigenen Kühlsysteme, anstatt sie zu bekämpfen.

Schweißproduktion ankurbeln: Warmer Tee signalisiert dem Körper erhöhte Wärme. Die Schweißdrüsen springen an, die Verdunstungskühlung beginnt intensiver zu arbeiten.

Gefäßerweiterung fördern: Die Wärme des Getränks erweitert die Blutgefäße. Mehr warmes Blut fließt zur Hautoberfläche und gibt dort Hitze ab. Hierzu muss aber auch gesagt sein, dass die entscheidende Kühlgröße bei Hitze die Verdunstung des Schweißes ist und die Gefäße nur eine geringere Bedeutung zukommen.

Flüssigkeitshaushalt optimieren: Tee hydratisiert den Körper und stellt sicher, dass genügend Flüssigkeit für die Schweißproduktion vorhanden ist.

Wissenschaftliche Belege: Studien bestätigen die Tee-Theorie

Professor Ollie Jay von der Ottawa’s School of Human Kinetics führte eine Studie zum Kühlungseffekt verschiedener Getränketemperaturen im Jahr 2012 durch. Radfahrer tranken bei konstanten Laborbedingungen entweder heiße (50°C) oder kalte Getränke. Das verblüffende Ergebnis: Warme Getränke führten zu einer stärkeren Schweißproduktion, die die zusätzliche Wärme des Getränks mehr als kompensierte. 2

Moderne Thermometrie bestätigte, dass Teilnehmer mit heißen Getränken weniger Wärme im Körper speicherten als jene mit kalten Alternativen – ein wissenschaftlicher Beweis für das scheinbare Paradox. Die allgemeine Annahme, dass heiße Getränke die Körpertemperatur erhöhen, wurde wiederlegt.

Die Datenlage ist klar: Warme Getränke können die natürlichen Kühlmechanismen effektiver aktivieren als ihre eisgekühlten Pendants. Wichtig sind aber auch die Rahmenbedingungen. So sollte es kein feuchter Tag sein und man sollte nicht zu viel Kleidung tragen. Nur wenn der erzeugte Schweiß auch verdunsten kann, wirkt der Mechanismus. Eine bequeme, lockere Kleidung aus natürlichen Fasern unterstützt die Kühlung. Sind diese Parameter nicht gegeben, können wiederum durch kalte Getränke vorteilhafter für die Nettokühlung sein, wie eine andere Studie, ebenfalls von Jay, zeigte.3

Ideale Teetemperatur: Der Goldstandard für Sommererfrischung

Nicht jede Temperatur eignet sich gleichermaßen gut. Experten empfehlen Getränke zwischen 50 und 60 Grad Celsius – warm genug, um die Thermoregulation zu stimulieren, aber nicht so heiß, dass sie Unbehagen verursachen, bzw. bei zu großer Hitze (>65 Grad Celsius) gesundheitsschädlich wirken.

Bei dieser Temperatur kann der Tee angenehm getrunken werden, während er gleichzeitig die gewünschten physiologischen Reaktionen auslöst.

Die besten Teesorten für heiße Tage

Nicht alle Tees eignen sich gleich gut für die Sommerkühlung:

  • Grüner Tee enthält Catechine, die zusätzlich antioxidativ wirken und den Stoffwechsel unterstützen.
  • Minztee kombiniert den Wärmeeffekt mit dem kühlenden Menthol-Gefühl – eine doppelte Erfrischung.
  • Kräutertees ohne Koffein eignen sich perfekt für abends oder für koffeinempfindliche Personen.

Wer möchte kann auch einen tieferen Blick in die traditionelle indische Heilkunst Ayurveda werfen. In Ayurveda wird zwischen kühlende und wärmende Lebensmittel unterschieden. So gilt auch hier Minze, Salbei oder auch grüner Tee als kühlend (siehe hier zu mehr zum ayurvedischen Tee).

Praktische Anwendung: Tipps für den Tee-Genuss bei Hitze

Die richtige Zubereitung macht den Unterschied:

Lose Teeblätter entwickeln mehr Aroma als Teebeutel. Die Ziehzeit sollte je nach Sorte zwischen 2 und 5 Minuten liegen – längeres Ziehen macht den Tee bitter.

Ein Spritzer Zitrone verstärkt nicht nur den Geschmack, sondern liefert auch Vitamin C. Honig oder Agavendicksaft süßen natürlicher als Industriezucker, sollten aber dennoch nur in Maßen eingesetzt werden.

Die Teezeremonie selbst wird zum kühlenden Ritual: Langsames, bewusstes Trinken entspannt und verstärkt den Effekt.

Mythen und Missverständnisse aufgeklärt

Hartnäckig hält sich der Glaube, kalte Getränke seien bei Hitze grundsätzlich besser. Dieser Irrtum basiert auf dem unmittelbaren Kühlgefühl im Mund, ignoriert jedoch die physiologischen Langzeiteffekte.

Ein weiterer Mythos besagt, warme Getränke würden bei Hitze den Kreislauf belasten. Das Gegenteil ist aber unter gegebenen Umständen der Fall: Sie unterstützen die natürliche Thermoregulation und reduzieren den Hitzestress. Sollten diese Gegebenheiten aber nicht vorhanden sein, können kühlende Getränke die bessere Wahl sein (z.B. bei hoher Luftfeuchte, viel Kleidung oder geringer Luftbewegung).

Die kulturelle Dimension: Teetrinken als Sommertradition

Verschiedene Kulturen haben die kühlende Kraft warmer Getränke längst erkannt:

In Marokko gehört der Minztee zur Gastfreundschaft – auch bei 40 Grad im Schatten.

Indische Chai-Kulturen zelebrieren gewürzten Milchtee das ganze Jahr über, unabhängig von den Außentemperaturen.

Chinesische Teezeremonien betonen die harmonisierende Wirkung warmer Getränke auf Körper und Geist.

Diese Traditionen sind nicht zufällig entstanden, sondern spiegeln Jahrtausende der Erfahrung wider.

Fazit: Die Weisheit der Wüste für den modernen Alltag

Die Erkenntnis erschüttert liebgewonnene Gewohnheiten: Warmer Tee kann tatsächlich besser kühlen als eiskalte Getränke. Was jahrhundertelang als Tradition galt, bestätigt heute die Wissenschaft.

Der Körper funktioniert wie ein ausgeklügeltes Kühlsystem – man muss nur wissen, wie man es richtig bedient. Warme Getränke können die natürlichen Mechanismen aktivieren, kalte können sabotieren. Am Ende kommt es aber auf die speziellen Bedingungen an, wie Studien zeigten.

Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt. Warum nicht das Experiment wagen? Eine Tasse warmer Tee könnte die überraschende Antwort auf sommerliche Temperaturen sein. Die Beduinen der Sahara praktizieren es seit Generationen, vielleicht ist es Zeit, von ihrer Weisheit zu lernen.

Warmer Tee bei Hitze ist kein Widerspruch, sondern pure Physik. Die Natur hat dem menschlichen Körper perfekte Kühlsysteme mitgegeben. Warme Getränke können der Schlüssel sein, um sie zu aktivieren. Am Ende kommt es aber darauf an, sodass man durchaus auch zu einem Eistee greifen darf ;-)

Quellen und Verweise

  • 1Baker, L. B. (2019). Physiology of sweat gland function: The roles of sweating and sweat composition in human health. Temperature, 6(3), 211-259.
  • 2 Bain, A. R., Lesperance, N. C., & Jay, O. (2012). Body heat storage during physical activity is lower with hot fluid ingestion under conditions that permit full evaporation. Acta physiologica, 206(2), 98-108.
  • 3 Jay, O., & Morris, N. B. (2018). Does cold water or ice slurry ingestion during exercise elicit a net body cooling effect in the heat?. Sports Medicine, 48(1), 17-29.
  • Airoldi, G., Riva, G., Vanelli, M., & Garattini, G. (1997). Oral environment temperature changes induced by cold/hot liquid intake. American Journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics, 112(1), 58-63.