Teegenuss wird von vielen Menschen mit der britischen Kultur in Verbindung gebracht. Doch an keinem Ort der Welt wird so viel Tee wie in Ostfriesland getrunken. Pro Jahr trinkt jede Person dort etwa 300 Liter. Kräftige ostfriesische Teesorten werden in einer Teezeremonie zubereitet, die für Entspannung und Entschleunigung sorgt. Was hinter dem Geheimnis der ostfriesischen Teekultur steckt, das erfährt man hier.

Teekultur mit traditionsreicher Geschichte

Ursprünglich war Bier das Hauptgetränk in Ostfriesland. Das änderte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als niederländische Kaufleute Teesorten aus aller Welt in die Region brachten. Anfangs stand der wohltuende Effekt im Mittepunkt. Deshalb wurde zu dieser Zeit Tee als medizinischen Getränk verabreicht. Der unfermentierte Tee, der meist aus Japan oder China stammte, war im 17. Jahrhundert noch kein fester Bestandteil der lokalen Kultur. Das änderte sich Mitte des 18. Jahrhunderts. Während der Teegenuss zuvor den wohlhabenderen Schichten vorbehalten war, konnte das Getränk ab diesem Zeitpunkt als Volksgetränk bezeichnet werden. Staatsoberhaupt Friedrich II. förderte den Teekonsum zunächst aktiv, schließlich war das Kräutergetränk eine gesunde Alternative zu Bier. Als er aufgrund eines gescheiterten Handelsabkommens unter Druck geriet, versuchte er, den Teekonsum über hohe Preise und Steuern wieder einzuschränken. Das ließ sich die Bevölkerung nicht gefallen. Es kam zu Auseinandersetzungen, die unter der Bezeichnung „Teekrieg“ bekannt sind. Infolgedessen nahm der Teeschmuggel stark zu.

Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs war Tee Mangelware. Auch zu dieser Zeit war der Teeschmuggel Teil des Alltags, schließlich wollten sich die Bewohner Ostfrieslands ihr liebstes Getränk nicht nehmen lassen. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs erhielt die Bevölkerung neben Lebensmittelkarten auch Teekarten. Zu den zentralen Teeverteilungsstellen gehörten die Unternehmen Onno Behrends, Bünting und Niehus. Mit einer Zuteilung von 30 Gramm pro Person konnten die Bewohnerinnen und Bewohner ein Privileg nutzen, das es für andere Regionen nicht gab. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg war Tee aufgrund der hohen Besteuerung für viele Menschen lange Zeit unerschwinglich. Erst 1953 normalisierte sich der Markt wieder.

Bedeutung und Stellenwert der ostfriesischen Teekultur in Ostfriesland

Seit mehreren hundert Jahren ist Ostfriesland eine Region der Teetrinkerinnen und Teetrinker. Die Teekultur ist ein fester Bestandteil des kulturellen Selbstverständnisses. Das Lieblingsgetränk wird in einer aufwendigen Zeremonie zubereitet. Teegenuss zu festen Tageszeiten verbindet Menschen im familiären und beruflichen Umfeld miteinander. Eine Statistik aus dem Jahr 2016 zeigt, dass jede in Ostfriesland lebende Person etwa 300 Liter Tee jährlich trinkt. Das entspricht dem Elffachen des Durchschnittsverbrauchs in Deutschland. Diese besondere Genusskultur stiftet Identität und verbindet die Menschen miteinander. Da überrascht es wenig, dass sich das Thema auch in der Sprachkultur widerspiegelt. Viele plattdeutsche Redewendungen greifen das Thema Teekultur und Teegenuss auf. Seit 2016 ist die ostfriesische Teekultur ein UNSESCO-Kulturerbe. Touristen profitieren von dieser besonderen Kultur. Vor Ort laden urige Teestuben zum Genießen und Entspannen ein. Natürlich wird der Ostfriesentee traditionell im Teegeschirr mit Rosendekor serviert.

Weltmeister Ostfriesland: Spitzenreiter im Tee-Konsum in Europa
Weltmeister Ostfriesland: Spitzenreiter im Tee-Konsum in Europa im Jahr 2019 - Quelle: Deutscher Tee & Kräutertee Verband

Beschreibung der traditionellen ostfriesischen Teezeremonie

Vier offizielle Teezeiten gibt es in Ostfriesland. Morgens zum Frühstück, vormittags gegen 11 Uhr, nachmittags 15 Uhr und abends um 20 Uhr finden die traditionellen „Teetieden“ statt. Ein tägliches Muss ist der Nachmittagstee. Der kräftige Ostfriesentee wird immer mit einem Stück weißem Kandiszucker, dem sogenannten Kluntje, serviert. Gastfreundschaft spielt in der Region eine wichtige Rolle. Gästen wird bei der Ankunft selbstverständlich eine Tasse Tee angeboten.

Verwendetes Teegeschirr

Eine ostfriesische Teezeremonie ist ein entspannendes Alltagsritual. Diese Utensilien gehören zum ostfriesischen Teegenuss dazu:

Löffel für die Tassen, ein Stövchen für die Kanne und die gewünschte Ostfriesenteemischung dürfen bei der Teezeremonie natürlich nicht fehlen.

Verwendete Teesorten

Ostfriesischer Tee ist eine kräftige Mischung aus den Sorten Assam, Java, Sumatra und Ceylon. Die Teemischung ist eine Kunst für sich, schließlich kommt es für einen runden und vollmundigen Teegenuss auf jedes Detail an. Teehandelshäuser unterziehen die einzelnen Sorten einer genauen Qualitätsprüfung, bis sie Teil der Teemischung werden. In der Region gibt es traditionelle Teefirmen, die die Teesorten vor Ort mischen. Allerdings darf sich Ostfriesentee, der in anderen Region und Ländern gemischt wurde, auch als ostfriesische Teemischung bezeichnen. Der Begriff unterliegt keinem Patent. Wortmarken der Hersteller wie „Bünting Tee echter Ostfriesentee“ besitzen hingegen ein Patent. Hier können sich Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein, dass die Teesorte in Ostfriesland gemischt wird. Nicht nur die besondere Teesorte, auch das weiche Wasser Ostfrieslands verleiht ein unverwechselbares Aroma. Ostfriesische Teemischungen eignen sich nicht für kalkhaltiges Wasser. Ein Wasserfilter ist in dem Fall hilfreich.

Echter Ostfriesentee von der Marke Meßmer
Echter Ostfriesentee von der Marke Meßmer

Zubereitung des Tees

Nur wenn der Tee optimal zubereitet wurde, kann er seinen vollen Geschmack entfalten. Zuvor wird die Teekanne mit kochendem Wasser ausgespült und angewärmt. Die gewünschte Menge der Teemischung wird anschließend in die angewärmte Kanne gegeben. Etwa zehn Gramm Teeblätter pro Liter Tee sind optimal. Anschließend wird die Kanne bis zur Hälfte mit kochendem Wasser gefüllt. Der Tee sollte mit geschlossenem Deckel etwa drei bis vier Minuten ziehen, bis die Kanne komplett mit heißem Wasser gefüllt wird. Viele Kannen besitzen im Inneren ein angebrachtes Sieb, um den losen Tee herauszufiltern (man spricht auch vom Tüllensieb, bzw. ostfriesischen Teebesen). Ein Handsieb ist eine Alternative. Nach der Zubereitung steht die Teekanne auf einem Stövchen, um die optimale Temperatur beizubehalten. Teesorten aus Sommerpflückung werden besonders gern für die ostfriesische Teezeremonie genutzt, da diese nicht stark nachbittern. Das ist wichtig, da die Zeremonie ein wenig Zeit benötigt.

Servieren des Tees

Bei einer ostfriesischen Teezeremonie geht es darum, innezuhalten, den Moment zu wertschätzen und zu genießen. Die Zeremonie beginnt mit einem Stück Kluntje (Kandiszucker), das in alle Tassen gelegt wird. Anschließend wird der Tee über das Zuckerstück gegossen. Eine Ecke sollte dabei noch aus dem Tee schauen. Wer gut hinhört, kann das sanfte Knistern hören, wenn sich der Kandis im Tee auflöst. Nun wird ein wenig Sahne mit dem Rahmlöffel in die Tasse gegeben. Dazu die Sahne vom Tassenrand sanft in den Tee fließen lassen. Bei der ostfriesischen Teezeremonie wird die Sahne an mehreren Stellen entgegen dem Uhrzeigersinn hineingegeben. Das kann als ein Symbol für die stillstehende Zeit verstanden werden. Schließlich sollen Entspannung und Entschleunigung im Mittelpunkt der Teezeremonie stehen. Sobald Tee und Sahne sich vermischen, entsteht eine eindrucksvolle Sahnewolke, die Wulkje genannt wird. Wer das Wölkchen betrachtet, kann entspannen und Alltagssorgen vergessen. Da die unterschiedlichen Schichten von herb über cremig und sahnig herb bis süß den besonderen Genuss ausmachen, wird ostfriesischer Tee nicht umgerührt. Haben Gäste den Tee ausgetrunken, wird ungefragt nachgeschenkt. Mindestens drei Tassen gehören zu einer ostfriesischen Teezeremonie. Anschließend dürfen Gesten sprechen: Ein in der Tasse abgelegter Teelöffel signalisiert: Danke, kein weiteres Nachschenken ist gewünscht.

Buchtipp: Tee-Tied: Die ostfriesische Teekultur

Wer noch tiefer in die Teekultur der Ostfriesen eintauchen möchte, der sollte auf jeden Fall einen Blick in das Buch "Tee-Tied: Die ostfriesische Teekultur" von Tirza Renebarg werfen. Auf 80 Seiten erfährt man nicht nur die Geschichte hinter dem Teegenuss der Ostfriesen, sondern auch noch allerlei darüber hinaus, wie beispielsweise mehr aus der Welt des Porzellans oder der Herstellung von Kandis. Alles was die ostfriesische Teekultur so ausmacht!

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Große und bekannte ostfriesische Teehandelshäuser

Mit Bünting, Thiele und Onno Behrends repräsentieren drei große Teehandelshäuser die Region wirtschaftlich.

Carl Thiele und Peter H. Freese gründeten das Unternehmen Thiele & Freese 1873 als Kolonialwarengeschäft. Das Traditionsunternehmen wird auch heute noch als Familienbetrieb geführt. Das Teehandelshaus mit Sitz in Emden bietet echte Ostfriesenteemischungen an, die regional gemischt werden. Früchtetees, Darjeelingtees und Zubehör wie Teefilter ergänzen das Sortiment. Heute gehört die Marke zu den beliebtesten in Ostfriesland. Mehr zum Unternehmen findet man auf der offiziellen Webseite www.thiele-tee.de

Gewusst? In seiner Autobiografie „Kleinhirn an alle - Die große Ottobiografie“ outet sich Otto Waalkes als Liebhaber des Thiele-Tee. Kein Wunder, schließlich ist Otto ebenfalls in Emden geboren, wo auch Thiele weiterhin den Hauptsitz hat. Das Unternehmen hat das zum Anlass genommen und im Februar 2020 eine Otto-Waalkes-Edition seiner Teebeutel herausbrachte.

Das Teehandelshaus Bünting wurde 1806 in Leer gegründet. Damals stellte Johann Bünting in seinem Kolonialwarenladen die erste ostfriesische Teemischung zusammen. Er legte damit den Grundstein für einen international erfolgreichen Teekonzern, der auch heute noch existiert. Mittlerweile wird das Unternehmen als Aktiengesellschaft geführt. Grünpack ist die bekannteste Marke von Bünting. Teefans kennen vor allem den hervorragenden Ostfriesentee von Bünting. Mehr zum Unternehmen findet man auf der offiziellen Webseite www.buenting.de

Der ostfriesische Teefabrikant Onno Georg Behrends eröffnete 1887 auf Norderney seine „Japan-China-Waren-Handlung“. Dort verkaufte er neben Kaffee und Kakao auch Tee. Kundinnen und Kunden aus ganz Deutschland wurden per Versand beliefert. Die Geschäfte liefen gut, also konnte der Händler Expansionspläne realisieren. Eigene Teemischungen wurden hergestellt, gelagert und vertrieben. Nach dem Tod des Gründers führte Sohn Bernhard die Marke Onno Behrends weiter. Während sein Vater sich auf das Versandgeschäft und die Belieferung von Händlerinnen und Händlern mit losem Tee konzentrierte, lieferte der Sohn fertige Teemischungen in Tüten an den Handel. Seit 1988 ist das Unternehmen Teil der Ostfriesische Tee Gesellschaft (OTG). Mehr zum Unternehmen findet man auf der offiziellen Webseite www.onnobehrends.de

Wer mehr über die Teezeremonien und Teekultur Ostfrieslands erfahren möchte, sollte in die Region reisen und eine der Teestuben besuchen. Das Ostfriesische Teemuseum in der Stadt Norden und das Teemuseum in Leer sind einen Ausflug wert.