Oft haben historische Abläufe direkten Einfluss auf unsere liebgewordenen Gewohnheiten und Genüsse. So geschah dies auch vor rund 100 Jahren in der Türkei. Über lange Zeit war der Kaffee dort das bevorzugte Genussmittel. Aber die Dinge entwickelten sich zu Ungunsten der belebenden Bohnen. Diese waren plötzlich zu einem teuren Importgut avanciert. Eine Alternative musste gefunden werden.

Herkunft des Türkische Tee

Schon lange war in der Türkei bekannt, dass die fermentierten Blätter der immergrünen Teepflanzen eine ähnlich belebende Wirkung wie die gerösteten Kaffeebohnen besitzen. Es gab bis dahin jedoch keine eigenen Anbauflächen. Die Erfolgsgeschichte des Türkischen Tees begann um 1890. Zunächst baute man den Tee in der Region Bursa an. Es zeigte sich jedoch, dass die Boden- und Klimaverhältnisse dort nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Befruchtet wurde der türkische Teeanbau durch die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Georgien, das zu jener Zeit bereits einen erstklassigen Ruf als Erzeuger von Tee besaß. Auf der Pariser Weltausstellung von 1900 hatte Georgien im Rahmen des Teewettbewerbes die Goldmedaille errungen. Mit dem Wechsel in das Gebiet rund um Rize gelang dann 1937 der große Durchbruch. Aktuell kommen 65 % des türkischen Tees von dort. Weitere Anbaugebiete befinden sich bei Trabzon, Artuin, Ordu und Girezun.

Wie Türkischer Tee zubereitet wird

Das türkische Unternehmen Caykur ist die Nummer 1 unter den Teeproduzenten des Landes. Es liegt auf der Hand, dass die Profis von Caykur sich besonders gut mit der Zubereitung des belebenden Heißgetränks auskennen. Sie benutzen die türkische Teekanne Caydanlik, einem speziellen Kochgeschirr mit zwei Kannen. Es ähnelt dem russischen Samowar.

Erster Schritt

Die untere der beiden Kannen wird mit frischem Wasser befüllt, das erhitzt wird. Während sich das Wasser erhitzt, erwärmt sich die oben aufsitzende zweite Kanne, in die die Teeblätter gegeben werden.

Zweiter Schritt

Das kochende Wasser aus der unteren Kanne wird in die obere Kanne mit den Teeblättern gegeben. Beide Kannen bleiben aufeinander gestapelt auf der jeweiligen Wärmequelle.

Dritter Schritt

Während des Brühvorgangs tanzen die losen Teeblätter ihren aromatischen Tanz. Die Blätter vom Boden der Kanne schweben hinauf und die Blätter von oben sinken herab. Der Tee ist fertig.

Die Stärke des Tees wird nach Wunsch über die Wassermenge reguliert. Zuerst kommt der konzentrierte Tee aus der oberen Kanne in das Glas. Dann fügt man die gewünschte Menge heißen Wassers hinzu.

Gut zu wissen:

Entgegen anderer Sitten spielt Milch bei der Originalrezeptur von Schwarzem Tee in der Türkei keine Rolle. Dieser englische Brauch (siehe hierzu auch Tee mit Milch) soll auf die Benutzung von feinem Porzellan zurückgehen. Um das Zerspringen der zarten Gefäße zu verhindern, wurde vor dem heißen Tee ein wenig Milch in die Tasse gegeben. Ein türkischer Brauch ist hingegen, ein Stück Würfelzucker in den Mund zunehmen und diesen genüsslich mit dem vollmundigen Tee aufzulösen.

Ganz landestypisch hingegen sind die türkischen Teegläser in Tulpenform. Sie bestehen aus Glas und kommen immer auf einem aufwendig dekorierten Unterteller mit einem Löffel und einer Zuckerdose daher. Das komplette Arrangement umfasst stets auch ein Tablett. Beim Befüllen der Gläser ist zu beachten, dass am oberen Glasrand ein bis zwei Zentimeter Raum bleibt. So ist das Glas, das weder Fuß noch Stiel hat, gut greifbar.

Das Herz des Türkischen Tees schlägt in Rize

In der Stadt Rize leben rund 120.000 Menschen, von denen nahezu jeder Haushalt mit dem Teeanbau, der Verarbeitung und dem Teehandel eng verbunden ist. Die vom Teeanbau geprägte Landschaft trägt den Namen „Region des Tees“. Im hiesigen Landschaftsgarten, der einen fantastischen Blick über Stadt und Landschaft bietet, würdigen die Menschen mit dem Caykur Teemuseum die Bedeutung der aus Fernost stammenden Pflanze.

Der Türkische Tee trägt seit über 60 Jahren einen großen Namen: Caykur. Das Unternehmen mit Firmensitz in Rize ist der unangefochtene Branchenführer des Landes. Es kooperiert mit über 200.000 selbstständigen, regionalen Erzeugern, die ihrerseits die Teeplantagen bewirtschaften. Im Gegenzug garantiert Caykur den Zulieferern stabile Preise beim Ankauf des wertvollen Rohmaterials. Ganz im Sinne von Nachhaltigkeit und entsprechend den Schwerpunkten der modernen Agrarwirtschaft unterstützt Caykur die Umstellung und den Ausbau von biologischen Anbauflächen. Unter den Türkischen Tees besetzt Schwarzer Tee den Spitzenplatz. Grüner Tee, Kräutertees und aromatisierte Tees runden das Sortiment ab. Ganz nach den unterschiedlichen Wünschen der Kunden gibt es Bio-Tees, lose, gerollte Teeblätter und Knospen sowie portionierten Tee im Aufgussbeutel. Sehr populär sind die Schwarztees Altinbas, Tiryaki, Filiz, Rize Turist, Kamelya und Tomurcuk.

Weltmeister unter den Teetrinkern

Der Teeverbrauch in der Türkei ist beeindruckend. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2020 lag bei 2,7 kg. Damit nehmen die türkischen Teeliebhaber den ersten Platz ein und verweisen selbst Brasilien und China auf die Folgeplätze. Von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung für die Türkei ist die Tatsache, dass das Land seinen Binnenbedarf gänzlich aus dem eigenen Anbau decken kann, zumal in einem Kilogramm türkischer Schwarztee sechs Kilogramm Teeblätter stecken. In den letzten hundert Jahren wurde der Kaffee in der Türkei vom Tee entthront. Obwohl der Türkische Mokka seit 2013 zum immateriellen Kulturgut der UNESCO zählt, konsumierte die türkische Bevölkerung 2020 lediglich 0,9 kg Kaffeebohnen.

Pro-Kopf-Absatz von Tee (in kg) weltweit nach Ländern weltweit im Jahr 2020
Pro-Kopf-Absatz von Tee (in kg) weltweit nach Ländern weltweit im Jahr 2020 - Datenquelle: statista.de